Tag 9: Auf zwei Kontinenten

Heute Morgen wurden wir von Sonnenstrahlen geweckt, die durch das Fenster fielen. Obwohl der Himmel noch immer wolkenverhangen war, schafften es einige Strahlen sich ihren Weg zu bahnen. Welch‘ schönes Wetter am Morgen. Wir aßen unser typisches Frühstück, Porridge mit Äpfeln und Crunch. Dazu den obligatorischen Kaffee. Dabei genossen wir noch den Blick vom Küchentisch nach draußen auf den Bauernhof. Der Besitzer war gerade dabei ein Quad-Bike vom Anhänger seines Autos zu entladen, da er am Vortag mit diesem den Zusammentrieb der Schafe unterstützt hatte. Uns wurde von der Bäuerin erklärt, dass gerade alle Schafbesitzer gemeinsam die Schafe von den Freiflächen holen, um sie anschließend aufzuteilen und nach Hause zu holen. Nach dem Frühstück packten wir zügig unsere Sachen zusammen und begaben uns auf die heutige Etappe. Zunächst fuhren wir wieder nach Borgarnes, um dort auf der Ringstraße einige Kilometer Richtung Süden zu fahren. Diese überquert hinter der Stadt den Fjord Borgarfjörður über einen langen Damm und eine Brücke. Schon nach 15 Kilometern fuhren wir auf eine kleinere Landstraße Richtung Osten ab, die an einem anderen Fjord, dem Hvalfjörður, entlang führt. Hier fielen uns die vielen kleinen Häuser am nördlichen Berghang auf, die vermutlich von wohlhabenden Familien aus Reykjavik als Wochenend- oder Sommerhäuser genutzt werden. Unser erster Etappenziel sollte der Wasserfall Glymur sein, den wir nach weiteren 20 Minuten Fahrt am Ostende des Fjords erreichten.

Als wir auf dem Parkplatz unser Auto parkten, sahen wir viele andere Wanderer, die sich noch an ihren Autos fertig machten oder bereits zur Tour aufbrachen. Da wir die Verteilung unseres Equipments in den letzten Tagen immer weiter optimiert hatten, genügten wenige Handgriffe, um alles wichtige parat zu haben und dann direkt aufzubrechen. Der Weg zum Wasserfall verläuft zunächst über eine weite strauchbesetzte Ebene, bis wir eine Kante erreichten und der Wanderweg plötzlich abwärts durch eine Höhle führte. Nur wenige Schritte später liefen wir entlang des Gebirgsflusses, der vom Glymur gespeist wird. Auch hier verlief der Weg noch relativ eben, bis wir überraschend an eine Stelle kamen, an der eine lange Planke und ein Stahlseil den Fluss überspannten. Das war unser Wanderweg. Jeder musste an dieser Stelle den Fluss überwinden. Mit Geschick und vermutlich etwas Glück erreichten wir beide trocken das andere Ufer. Nun zog die Steigung des Weges merklich an. Über unzählige Steinstufen ging es fordernd bergauf. Zusätzlich hatten die findigen Isländer am Wegrand Seile gespannt, um den Wandernden eine weitere Möglichkeit zur Sicherung zu bieten. So zog sich der Weg für fast 2 Kilometer zügig in die Höhe, immer entlang der Schlucht an deren Ende sich der Glymur Wasserfall befindet. Immer wieder gab es Aussichtspunkte, die einen herrlichen Blick in Richtung des Wasserfalls und der Schlucht boten. Wir stiegen immer weiter hinauf bis zum letzten, und vermutlich bekanntesten, Aussichtspunkt auf den Wasserfall. Genau von hier wurde das Beitragsfoto zum Glymur auf Wikipedia geschossen. Von hier traten wir unseren Rückweg an und stiegen zügig bergab, überquerten erneut den Fluss und kamen nach ziemlich genau zwei Stunden wieder am Parkplatz an.

Nach der anstrengenden Wanderung stand nun etwas Kultur auf dem Programm. Nach einer kurzen 40-minütige Fahrt standen wir an einem der wichtigsten Orte der isländischen Geschichte, dem Þingvellir (gesprochen Thingvellir). Schon vor über 1.000 Jahren wurde an diesem Ort das Althing gegründet, das auch heute noch als das älteste Parlament der Welt gilt. Erstmals wurde das Althing im Jahr 930 erwähnt und bis heute trägt das isländische Parlament eben diesen Namen. Heutzutage werden die Sitzungen allerdings in der Landeshauptstadt Reykjavik abgehalten. Der Thingvellir Nationalpark liegt auch genau auf der Bruchkante zweier Kontinentalplatten, der eurasischen und nordamerikanischen Platte. Man kann hier also über beide Platten spazieren gehen und nebenbei ein wenig über die Geschichte Islands lernen. Wir parkten nahe des Parkeingangs und spazierten hinab in die Schlucht, die sich an der Stelle bildet, an der die Platten auseinander driften. Dabei durchquerten wir den sogenannten Dead Man’s Walk (Gang des toten Mannes). In diesem Bereich wurden vor vielen Jahrhunderten Urteile vollstreckt, Hinrichtungen sowie Verbannungen. Heutzutage ist es ein entspannter Spaziergang zwischen den sich links und rechts des Weges auftürmenden Gesteinsformationen der Bruchkanten. Nach einigen hundert Metern wechselte der normale Weg zu einem sehr gepflegten Bretterweg. Hier liefen wir zum obligatorischen Wasserfall, dem Öxarárfoss. Nach den letzten Tagen und dem Glymur Wasserfall am Vormittag, war dieser Fall fast schon enttäuschend klein. In der Umgebung der steinigen Bruchkante wirkte er dennoch sehr schön und viele der Besucher nutzten die Möglichkeit für Erinnerungsfotos. Unser gewählter Rundweg führte uns nun weiter durch den Park, durch ein kleines Nadelwäldchen bis zur Silfra-Spalte. Hier soll es das klarste Wasser auf dem Planeten geben und kundige Taucher hätten hier auch die Möglichkeit zwischen den Kontinentalplatten zu tauchen. Da wir beide keinerlei Taucherfahrung vorweisen können, haben wir auf diese Möglichkeit der Freizeitbeschäftigung besser verzichtet und stattdessen nur den tollen Blick in das glasklare Wasser bewundert. Von außen lässt sich das allerdings schwer beurteilen, da ab einer gewissen Tiefe jedes Wasser einfach dunkel wird. Man sieht allerdings deutlich, dass die Felsformationen am Rand der Spalte auch unter Wasser noch sehr klar und gut erkennbar sind. Anschließend machten wir uns auf den Weg zurück zum Auto, da in der Ferne bereits dunkle Wolken aufzogen und es auch sichtbar regnete.

Nun verließen wir den Nationalpark auf derselben Straße, die wir zuvor gekommen waren. Wie wir auf unserer Reise gelernt haben, ist die Anzahl der Verbindungsstraßen auf Island deutlich kleiner als zuhause in Deutschland. Die Landstraße 36 traf bei Mosfellsbær wieder auf die Route 1, der wir dann erneut Richtung Süden folgten. Zu unserer Überraschung war die Ringstraße hier zweispurig ausgebaut und erinnerte ein wenig an Deutsche Autobahnen, abgesehen von den Kreisverkehren an den Abfahrten. Unsere heutige Unterkunft war ein Hotel in Kópavogur, einer Stadtgemeinde östlich von Reykjavik. Hier verließen wir nun zum letzten Mal die Ringstraße, da sie von hier aus wieder nach Osten in Richtung der Stadt Hveragerði verläuft, die wir an unserem ersten Tag auf Island besucht hatten. Wir haben den Ring an dieser Stelle für uns geschlossen!

Nachdem wir im Hotel eingecheckt hatten, sprangen wir beide nacheinander unter die Dusche und erfrischten uns. Die Wasserfall-Wanderung am Vormittag hatte uns ordentlich schwitzen lassen. Nun wollten wir noch etwas Essen, um auch unsere Energiereserven wieder aufzutanken. Daher sollte es etwas deftiger werden. Wir fanden eine gut bewertete Pizzeria nur wenige Fahrminuten vom Hotel entfernt und ließen uns zwei große Pizzen schmecken.

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